Presse-Echo - Juni 2014

Vom Versagen der Politik

Quelle: WLZ am 25.06.2014.

KORBACH. Am Sonntagabend bei Günther Jauch im Fernsehen, am Montagabend im Korbacher Bürgerhaus: Auf Einladung des Vereins Lesebändchen (Förderverein der Stadtbücherei) berichtete Jörg Armbruster, ehemaliger ARD-Auslandskorrespondent für den Nahen und Mittleren Osten, vor knapp 200 Gästen über seine Einschätzung und Erfahrung im "Krisenherd Nahost".

Seine Meinung war auch nach dem Vortrag vielen Gästen wichtig, denn es entbrannte eine angeregte Fragerunde mit dem Mann, der vor Ort gewesen ist und der viele Vorgänge aus erster Hand erlebt hat. Unvergessen bleibt seine Tagesschau-Liveschaltung aus Kairo, bei der im Hintergrund am 11. Februar 2011 der Rücktritt des ägyptischen Präsidenten Mubarak bekannt wurde und die Kamera auf die jubelnde Menge schwenkte.

Offiziell im Ruhestand

Obwohl seiner Meinung nach die Ukraine Syrien derzeit in der Tagesaktualität ablöst, referierte Armbruster, der sich offiziell im Ruhestand befindet, hauptsächlich über die Terrorgruppe ISIS. Diese gehöre zu den grausamsten Organisationen im Nahen Osten. Doch er beruhigte die Zuhörer auch. "Sie werden es nicht schaffen, weil sie dazu zu wenige sind", kommentierte er den Sturmlauf der ISIS-Kämpfer, die im Gebiet ehemals Großsyriens einen Gottesstaat errichten wollen.

"Grausamkeit ist nicht islamtypisch, aber islamistisch", meinte Armbruster. Der in Tübingen geborene Journalist, der im vergangenen Jahr im syrischen Aleppo lebensgefährlich angeschossen wurde, verdeutlichte den Werdegang der Terrorgruppe ISIS, die seiner Meinung nach nur so erfolgreich werden konnte, weil der Irak und dessen Regierung so schwach seien.

Seien die Schiiten bis zur Ãœbernahme der Amerikaner der irakischen Regierung in 2003 von der politischen Teilhabe ausgeschlossen gewesen, seien es seither die Sunniten. Einen Ausweg aus dem Bürgerkrieg sieht Armbruster nur in einer gemeinsamen Koalition aus sunnitischen und schiitischen Politikern mit den Kurden, die weiterhin eingebunden werden sollen, sowie dem Rücktritt des irakischen Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki. Er schob dabei den Amerikanern mit ihrer verfehlten Politik und ihrem Politikversagen die Schuld am Emporkommen der ISIS zu. Diese hätten einen Nährboden für den sunnitischen Terrorismus geschaffen.

Übergriff auf andere Staaten

Eine Gefahr sieht Armbruster darin, dass der Terror auf andere Staaten übergreift. Ein Grenzübergang zwischen dem Irak und Jordanien wurde von der ISIS bereits eingenommen. Eine Ausbreitung trotz dünner Personaldecke sei auch deshalb so verheerend, weil ISIS aus Ögeschäften und dem Überfall auf die Zentralbank in Mossul finanziell in der Lage sei, sich sowohl Kämpfer als auch Waffen kaufen zu können.

Jörg Armbruster ging auch auf die Attraktivität ein, die ISIS auf europäische Kämpfer ausübt, allein 350 Deutsche sollen sich der Terrorgruppe angeschlossen haben, deren Abenteuerlust oft als Kanonenfutter ende. Auch von den Rückkehrern gehe eine große Gefahr aus, warnte der Journalist. Als Beispiel nannte er den Mordanschlag in Belgien, der auf einen derartigen Rückkehrer zurückzuführen sei.

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