Presse-Echo - April 2019

Wie einst Leib- und Hungerstrafe

Quelle: Korbacher Zeitung vom 24.04.2019.

Korbach - Eine vom Jobcenter verhängte Sanktion sei eine beschönigende Umschreibung einer "mittelalterlichen Leib- und Hungerstrafe", sagt Bettina Kenter-Götte. Die Münchner Schauspielerin und Autorin arbeitete bei ihrer Buchlesung zum Thema "Heart's Fear” "Hartz IV" im Korbacher Bürgerhaus den Unterschied anschaulich heraus.

2017 habe es rund 34000 Vollsanktionen bei Hartz IV-Beziehern in Deutschland gegeben, das heißt die Kürzung des Lebensminimums auf Null. Die Konsequenzen für die Betroffenen seien enorm. "Jede Sanktion bedeutet Hunger", sagte Kenter-Götte, "schlimmstenfalls den Entzug jeder Lebensgrundlage, auch der Miete und des Krankenversicherungsschutzes."

"Was wäre los in diesem Land, wenn man einem rechtskräftig verurteilen Mörder im Gefängnis das Essen verweigern, die Heizung und den Strom abstellen würde? - und ihm auch nicht die notwendigen Medikamente zukommen ließe, fragte die Autorin. "Hartz IV bedeutet Armut und menschliche Ausgrenzung aus der Gesellschaft", resümiert Kenter-Götte.

Die Autorin selbst war einige Jahre "Aufstockerin" beim Jobcenter und musste einen Buchhaltungskurs machen. Hätte sie sich verweigert, wäre das Geld umgehend gekürzt worden. Von einer vorübergehend arbeitslosen selbständigen Ärztin wurde gefordert, einen Lkw-Führerschein zu machen. Kenter-Götte ist sich sicher: "Hartz IV bekämpft nicht die Armut, sondern die Armen." Jobcenter verweisen gezielt darauf, das Hartz IV-Bezieher sich den Rest zum Lebensunterhalt bei der Tafel besorgen könnten. Die Autorin würdigte die Arbeit der ehrenamtlichen Tafel-Helfer, bezeichnete diese Einrichtung aufgrund eigener Erfahrungen jedoch als "Restetisch für die Armen".

In der anschließenden Diskussion konnten einige Besucher den Bürokratieaufwand um Hartz IV kaum fassen. Kenter-Götte hatte einen kompletten Hartz IV Antrag dabei, der bis zu 67 Seiten umfassen kann, den selbst Jobcenter-Mitarbeiter kaum begreifen würden, so Kenter-Götte. So sei es kein Wunder, dass etwa die Hälfte der Bescheide fehlerhaft wären und zu wenig Geld gezahlt würde. Jahrelange Gerichtsverfahren seien die Folge, ehe dann erst Korrekturen der Zahlungen erfolgen würden. Bettina Kenter-Götte war einer Einladung des Lesebändchens Korbach, des Bürgerbündnisses für ein tolerantes und weltoffenes Korbach mit Unterstützung des Netzwerkes Toleranz gefolgt. red

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